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Kronen Zeitung - 18.10.2008
Brutaler Serienmord als Kopfkino
Das Puppentheater "Jerk" beim "steirischen herbst" in Graz

Als Puppentheater und Anti-Thriller präsentiert "Jerk" den Fall des Killers David Brooks. Der von
Jonathan Capdevielle virtuos gespielte Theatermonolog setzt sich im intimen Rahmen des
Festivalzentrums mit einem absurd brutalen Serienmord auseinander. Reduktionistisch und
zumindest ein wenig verstörend.

Das Werk des amerikanischen Schriftstellers und Journalisten Dennis Cooper kreist monoman um
extreme Gewalt und Sex. In "Jerk" dokumentiert der umstrittene Autor die Verbrechen des Serienkillers "Candyman" Dean Corll, der zwischen 1970 und 1973 in Texas mindestens 27 Teenager bestialisch zu Tode folterte.

In der Massenkultur hat die Darstellung von blankem Sadismus ein eigenes Genre ausgeformt.
Reißerische Serienkiller-Romane überbieten sich gegenseitig mit dem Grad präsentierter
Grausamkeit, und im Film spekulieren Hollywood-Produktionen wie "Saw" und "Hostel" mit der Folter als Schauwert.

Die von Regisseurin Gisele Vienne konzipierte Umsetzung von Coopers "Jerk" schlägt einen radikal
entgegengesetzten Weg ein. Corlls Untaten werden hier von seinem Komplizen David Brooks erzählt, mit Handpuppen, welche die Grausamkeit der Handlung abstrahieren. Vienne setzt weitere Brüche, lässt einige Passagen des Textes zum Stilllesen ans Publikum verteilen. Endgültig angeworfen wird das Kopfkino, wenn Brooks am Ende in Bauchredner-Manier beim Erzählen nicht einmal mehr den Mund bewegt.

Jonathan Capdevielle stellt diesen Wort-Thriller, dieses unheimliche Puppen-Märchen virtuos dar.
Ein verunsicherter, tief verletzter Mann im extrem dünnen Nervenkostüm, der die Innensicht des
Grauens präsentiert, wobei sich die Aufarbeitung des Kriminalfalls nicht an Konventionen des
Thrillers oder Sozialdramas orientiert. "Jerk" dockt eher an die extremen literarischen Entgrenzungs und Orgienszenarien eines Georges Bataille an. Das freilich macht den Abend nicht weniger
verstörend.

Martin Gasser






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