Salzburger Nachrichten - 07.10.2008
Radikaltheater im Krankenzimmer
"Warst schon im Spital? Sechs Stunden oder länger?" Ein radikales
Theaterereignis im "steirischen herbst" liefert Gesprächsstoff.
Geschichten von mittlerweile wieder entlassenen Insassen machen die
Runde, die Gerüchteküche brodelt. "Man könnte auch Sex mit dem
Klinikpersonal haben", heißt es. Oder: "Wer nicht pariert, muss das Klo
putzen."
Tatsache ist: Im Festivalzentrum hat die
dänisch-österreichische Formation "Signa" einen beklemmend altmodischen
Krankenhaustrakt für Amnesiekranke eingerichtet.
Die Besucher
der "Nonstop Performance-Installation" werden sechs, zwölf, 18 oder 24
Stunden lang aufgenommen und nach der "Komplex-Nord-Methode" behandelt.
Das Publikum erhält neue Identitäten und wird zu Akteuren eines
Spitalsalltages, bei dem Scham- und andere Grenzen überwunden werden
müssen. Wer ist hier Schauspieler? Wer Besucher? Wer spielt jetzt
welche Rolle? Und: Was ist Realität? Bei dem theatralischen
Selbsterfahrungsprojekt von Signa, an dem bis 12. 10. teilgenommen
werden kann, weicht vieles auf: Aktionstheater, das an Konventionen und
Tabus kratzt. Urschreitherapie, Sexualaufklärung, Baumwollunterhosen
und gute Heilungschancen inklusive. Zudem kommt eine Diskussion über
das Wesen der Kunstdisziplin Theater in Gang.