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Falter - 29.10.2008
Glück ist ein Mikroton
Georg Friedrich Haas hat das Dunkle komponiert

Wenn der schwarze Chor am Beginn von Georg Friedrich Haas' Oper "Melancholia" mit gespenstischer Sonorität sein "Hertervig, der kann nicht malen" schnarrt und Hertervig, der Maler, ganz in Weiß dasitzt und zu Boden starrt, schwant einem bereits, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen wird. Hat sie auch historisch nicht. Denn der norwegische Maler Lars Hertervig (1830-1902), an den Jon Fosse seinen Roman "Melancholie" angelehnt hat, entwickelte während eines Studiums in Düsseldorf Schizophrenie, zog sich nach Stavanger zurück und bemalte dort bis zum Tod auch noch das kleinste Stückchen Papier mit fantastischen Landschaften. Anerkennung erfuhr Hertervig erst lange nach seinem Tod.

Haas hat nun das von Fosse aus dem Roman gezogene Libretto als Gerüst für seine hypnotisch-düstere Künstleroper "Melancholia" genommen, die nun - nach der Uraufführung an der Pariser Nationaloper im Juni - im steirischen herbst in Graz ihre deutsche Erstaufführung erlebte. In neunzig Minuten wird da hörbar, wie ein Mensch den Rückzug aus einer Gesellschaft antritt, die vermeintlich Reines ersehnt und für Zwischentöne kein Gehör mehr hat. Romantisch ist dieses Unterfangen nur in der Hinsicht, dass Haas mit seinen leidenschaftlichen Klangspektren ein Geschehen illustriert. Eines, das auf der Bühne unsichtbar bleibt, sich fast ausschließlich im Kopf des Lars abspielt, der die Helene - die Tochter seiner Düsseldorfer Vermieterin - nicht lieben darf und den Draht zur Welt verliert. Nur selten trifft sich das Bühnengeschehen mit der Musik, etwa wenn sich Lars im ersten Akt durch seine Liebesarie hastet, während Helene in Zeitlupe auf ihn zuschwebt. Die Berührung, die folgt, ist von dunkler, von berückender musikalischer Schönheit. Dann singt Helene ihren ersten Satz: "Ja, jetzt lieben wir uns." Und, leider, damit ist das Glück auch schon wieder vorbei. Helene muss gehen, am Ende wird sie im Chor der anonymen Masse verschwinden.

Das Klangforum unter Emilio Pomarico und das Vokalensemble Nova geleiten Otto Katzameier als Lars souverän durch die organisch wogenden, sich in manischer Redundanz in höchste Höhen und tiefste Tiefen schraubenden Haas'schen Ober- und Mikrotonwelten in den Wahnsinn, der die Welt ist. Die Bühne ist so reduziert ausgestattet - hirnschwarzer Raum, weißes Segel, zwei Koffer -, dass sie kaum stört.
Thomas Wolkinger






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