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Falter - 15.10.2008
Auf heiseren Beinen in den Popolymp
Das großartige Nature Theatre of Oklahoma war wieder da. Und wie!

Es ist eine Erfolgsgeschichte, die der steirische herbst zumindest mitgeschrieben hat. Das Nature Theatre of Oklahoma, jene als Off-Off-Off-Theater titulierte Formation von Kelly Copper und Pavol Liska, die zuletzt bei den Salzburger Festspielen ausgezeichnet wurde, hatte mit "No Dice" ihren ersten Auftritt im deutschsprachigen Raum beim herbst 2007. Nun zeigt der herbst eine frühere Arbeit: "Poetics: A Ballet Brut". Das hinreißend lebendige Amateurballett weist bereits deutlich den in der Folge eingeschlagenen Weg. Und ist in seiner bewusst naiven Grundhaltung dennoch einmalig. Das reichlich schräge Ensemble (Anne Gridley, Robert M. Johanson, Fletcher Liegerot und Zachary Oberzan) hat offensichtlich einen Grundkurs zum Thema Disco-Fox besucht, diese Kenntnisse in eine intensive Auseinandersetzung mit alten MTV-Beiträgen investiert und ist womöglich auf der Suche nach dem nächsten Musikvideo über eine Fernsehsendung mit Gehörlosensynchronisation gestolpert - was die Künstler ebenso zu neuen tänzerischen Vokabeln brachte wie zu Seitenblicken auf die Vehikel alltäglicher sozialer Interaktion. Zum Beispiel höhenverstellbare Bürosessel. Entstanden ist eine eigen- und einzigartige Melange aus Authentizität und Ironie, aus Spaß und Formalismus.

Eine zweite Ebene in der Arbeit reflektiert Ruhm, Erfolg, Glamour. Etwa wenn plötzlich ein Heer von Statisten auftaucht, das die seltsamen Tanzvokabel der Hauptakteure in eine Massenchoreografie übersetzt. Und dann springt auch noch eine professionelle Balletteuse herein, die ihr Solo ebenfalls auf die scheinbar unbeholfenen Gesten und Bewegungen aufbaut, die den bisherigen Abend bestimmten. Ein furios überzogener Abgang, ganz in der Dramaturgie eines billigen Musikvideos, der die amüsanten Bemühungen des Ensembles kurzerhand zu Pop erklärt.

Warum eigentlich nicht? Eine der Geburtsstunden des Pop liegt laut Diedrich Diederichsen im breitenwirksamen Aufschwung heiserer Stimmen unausgebildeter Sänger. Das Nature Theatre präsentiert sich demnach als Bob Dylan des Balletts. "Ballet Brut" ist eine sympathische und - bei aller Ironie - auch ernstzunehmende Antwort auf das, was gemeinhin als Tanz verstanden wird.


Hermann Götz






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