Eine subtile Transformation vollzieht sich innerhalb der guten
Stunde entlang der Achse zwischen den zwei gegensätzlichen Polen
„Abstrakt“ und „Explizit“. Begonnen hat die Arbeit mit der
Materialrecherche mittels der Body Mind Centering
(BMC)-Improvisationsmethode nach Bonnie Bainbridge Cohen. Hatte Salamon
für ihr früheres Stück „Nvsbl“ (2006) mithilfe der Methode eine extreme
Reduktion erreicht, so wollte sie dieses Mal die Wahrnehmung von
Bewegung als solche untersuchen, ohne damit eine weiterführende
Stückidee zu unterstützen. Damit ist die Untersuchung das Zentrum des
Abends, und der Zuschauer blickt in das Labor der Tänzerinnen.
„It could have been totally different"
Salamon und de Smedt sind Choreografinnen genug, um trotz der
Visionsverweigerung einen dramaturgischen Faden durch das Material zu
weben. Hilfreich ist dabei die wunderbare elektronische Musik von Terre
Thaemlitz, die die beiden Künstlerinnen - ebenso die verwendeten
Bewegungen - aus einer Fülle von möglichem Material selbst
zusammengestellt haben, wie sie im Publikumsgespräch erklärten. Auch
die Musik entwickelt sich von abstrakten Klängen, vereinzelten
Klavieranschlägen und verzerrten Redefragmenten hin zu beinahe kitschig
melodischen Gebilden, die kurz nach dem Entstehen schon wieder in sich
zerfallen und erneut transformiert werden. „It could have been totally
different“, meint De Smedt in Bezug auf die Gestalt, die der Abend so
angenommen hat - und so selbstverständlich ist diese Aussage im
Zusammenhang mit „Dance #1 / Driftworks“ gar nicht. „Wir haben uns
gegenseitig beim Improvisieren beobachtet und auch alles mit Video
aufgezeichnet. In diesen Aufnahmen und der Beobachtung haben wir Dinge
gefunden, die dann zum Stück geworden sind. Wir haben also nicht
gesucht und doch gefunden“, erklärt Salamon die Arbeitsweise.
In einfachen weißen Hosen und Shirts (extravagant ist nur der knallrote
Nagellack dazu) betreten die beiden Tänzerinnen die black box der Bühne
im Dom im Berg. Sie liegen auf dem Boden und rütteln vor und zurück,
minimal, aber beständig, bis das Auge des Betrachters verwirrt ist und
kaum noch zu unterscheiden mag, woher der Impuls für diese Bewegung
kommt: Setzen ihn die Tänzerinnen oder werden sie vom Boden erschüttert
wie bei einem Erdbeben? Aus der Horizontalen startet eine langsame
Evolution in die Vertikale, und auch der Takt des Schüttelns variiert
in seinem Tempo. Zeitlupenhaft transformieren die Körper, während sie
in Highspeed permanent minimal bewegt sind. Die expressiven Körper
bedienen sich auch ihrer Stimmbänder: Sirenengesänge der
Darstellerinnen verweben mit den elektronisch generierten Klängen der
Tonspur.
„Wie erkennen wir etwas als etwas?“