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Wiener Zeitung - 07.10.2008
Mit den Hunden heulen
Festival "steirischer herbst" bringt zur Eröffnung Hunde auf die Bühne

Titeuf de la Fontaine St. Maurice, Bosco du Dragon d'eau, Robot du Vieux Marronnier, Kheops und Ulster heißen die eigentlichen Hauptdarsteller.

Nicht nur, dass es einer dieser Hunde schafft, ein Mikrophon ins Maul zu nehmen und ganz exakt in Bühnenmitte zu platzieren. Die fünf Tiere wirken wie von Geisterhand gesteuert. Sie nehmen, Balletttänzern gleich, genau vorhergesehene Bühnenpositionen und Körperstellungen ein. Sie beginnen auf unhörbares Kommando hin zu bellen und trotten, wie eine strenge Choreographie erfüllend, wieder von dannen. Tiere, die ihrem Alphamenschen blind ergeben folgen.

Auf den Hund kommen

Wie der Wolf und Mensch gleichermaßen auf den Hund kommen - das beschreibt der Franzose Michel Schweizer, Gründer und Leiter der Theatergruppe "La Coma", in seinem Stück "Bleib". Es war am ersten Wochenende beim "steirischen herbst" in Graz zu sehen.

Ist der Mensch etwa auch ein Rudeltier? Welchem Alphawesen folgt er? Ein Psychoanalytiker und ein Philosoph im Disput: "Wenn Du in einer Gesellschaft eins plus eins plus eins plus eins zusammenzählst, dann hast Du Krieg", sagt der eine.

Der andere sieht die Sache neoliberal, glaubt an die "Selbsterziehung der Egoisten".

Was können wir vom Hund lernen? Der degenerierte Wolf sucht sich ein neues Leittier, den Menschen. Auch der degenerierte Mensch sucht nach einem Alphawesen - und schafft sich Gott (oder Götter). "Jetzt haben wir keinen Gott mehr, der uns organisiert", dafür wählen wir Autoritäten. Starke Männer, Populisten . . .

So eloquent und leicht kann man wohl nur in Frankreich über Gott und die Welt reden, charmant wie treffsicher, eloquent wie beißend. Gegen ein solches Zerfleischen der Individualität ist das Beißen eines Hundes (auch das wird in einem fast choreographischen Ritual auf der Bühne gezeigt) beinahe läppisch.

Wird der "Mensch ohne Götter" von oben oder von unten dirigiert? "Alle sehen zur selben Zeit fern", heißt es einmal, "und alle starren in die gleiche Richtung". Das ist die Feinmechanik des Neoliberalismus.

In neunzig Minuten entfaltet Regisseur Michel Schweizer eine ganz eigenwillige Mischung aus philosophischem Diskurs und Tanztheater, aus Ritual und Tierdressurnummer.


Reinhard Kriechbaum






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