Kleine Zeitung - 20.06.2008
"steirischer herbst" bringt heuer "Strategien zur Unglücksvermeidung"
Der steirische herbst arbeitet an "Strategien zur Unglücksvermeidung". Das am Donnerstag vorgestellte Programm soll nicht nur zum Denken, sondern auch zum Handeln anregen.
Könnte schon sein, dass Sie im Oktober durch Graz tänzeln und singen:
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so fröhlich bin . .
.?". Dazu braucht's aber keinen Kleist und schon gar keinen Simmel,
sondern nur den steirischen herbst.
Strategie zur Unglücksvermeidung.Das Festival hat sich heuer
nämlich "Strategien zur Unglücksvermeidung" zurechtgelegt, die auf
einer Liste mit seltsamen Querverbindungen von Abdunkeln bis
Zusammenrücken reichen. "Listen sind der erste Schritt zur Tat, eine
Möglichkeit, Ordnung ins Chaos zu bringen", sagt Intendantin Veronica
Kaup-Hasler und meint damit Orientierungslosigkeiten, die aus dem
(scheinbaren) Scheitern von Visionen und Utopien entstehen.
Programm
"steirischer herbst" von 2. - 26. Oktober 2008
Paradoxien. Freilich bietet der herbst mit seinem
sozialpolitischen Fokus keine simplen Anleitungen zum Glücklichsein,
sondern Handlungsoptionen. Die Projekte sind wie die angeführten
Listen: "Zufällig, veränderbar, paradox und widersprüchlich, aber nicht
beliebig", betont Kaup-Hasler.
Röntgenstation für Glück und Unglück.Ein solch multipler Ort zur
Durchleuchtung des Festivalmottos, eine Art Röntgenstation für Glück
und Unglück, soll das heurige Festivalzentrum werden: Das
Joanneum-Gebäude in der Neutorgasse, wegen Neuaufstellung der
Schausammlung derzeit geschlossen, wird vom raumlaborberlin
"katastrophal" genutzt. Ausgehend von Explosionen wie in Michelangelo
Antonionis Filmklassiker "Zabriskie Point" will die interdisziplinäre
Truppe die barocken Museumsräume von Farbe und Form befreien. Neben der
monochromen Welt mit herbstbar, Club und Spielstätte kann man auch in
einem Sanatorium übernachten - Quarantäne im Mitmachtheater quasi, "tut
aber nicht weh", verspricht die Intendantin.
Ausstattung.Der Auftakt zum herbst, heuer mit rund vier
Millionen Euro inklusive einer Sonderdotierung des Landes von 450.000
Euro ausgestattet, erfolgt mit einer begehbaren Installation: Beim
Eintauchen ins "Volksbad Waagner-Biro-Straße" von Steinbrener/Dempf
wird man schon beim Eröffnungsfest zum Handeln aufgefordert. "Welt
retten" heißt es auch bei Ausstellungen wie der Pop-Arche des New
Yorkers Noah Fischer, detto im Theater, etwa wenn Michel Schweizer mit
einem Schäferhundeballett Philosophie-Diskurse so beunruhigend wie
ironisch bricht.
Versuchslabor.Versuchslabors gegen das Unglück sollen auch im
Tanz, mit neuen, in Szene gesetzten Texten (u. a. von Johannes
Schrettle) oder verstörendem Puppentheater eingerichtet werden. Neben
gewohnt Avanciertem im "musikprotokoll" steht natürlich die Oper
"Melancholia" von Georg Friedrich Haas, unlängst in Paris mit
Riesenerfolg uraufgeführt, im Zentrum der Hörereignisse.
Michael Tschida