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Die Furche - 24.10.2008
Wer erlöst werden will, verweigere sich


Wer Künstler werden will, melde sich! Auch Karl Roßmann, Franz Kafkas "Amerika-Held", erliegt der Verlockung und folgt dem Ruf des Naturtheaters von Oklahoma. Doch leider bricht Kafkas Romanfragment ab, ehe man Genaueres erfährt über dieses größte Theater der Welt. In New York arbeitet das Regie- und Konzeptduo Pavol Liska und Kelly Cooper seit 2005 unter dem Label Nature Theater of Oklahoma. Mit großem Erfolg. Heuer ist das Ensemble bereits zum zweiten Mal beim steirischen herbst. Mit "No Dice", einer mittlerweile legendären Produktion, waren sie 2007 erstmals im deutschen Sprachraum zu sehen. Erst im August wurden sie in Salzburg mit dem "Young Directors Award" ausgezeichnet - für ihre Version von "Romeo und Julia". Nun zeigt der herbst eine Arbeit, die 2005 entstanden ist: "Poetics: A Ballet Brut."

Schräges Bewegungsgefummel

Wer Tänzer werden will, melde sich! Das war natürlich auf keinem Plakat zu lesen, aber es wäre nicht weiter verwunderlich gewesen. "A Ballet Brut" ist reichlich schräges Bewegungsgefummel von vier aneinander geratenen Individuen, die zwischen Softdrinkgeschlürfe, Pizzagemampfe, Disco-Fox und Bürosesselakrobatik zu einer Art "Twister-Choreografie" vergattert wurden, die nach knapp einer Stunde auf eine Masse gut gelaunter Statisten überschwappte.

In "Ballett Brut" bestimmen Würfel die einzelnen Bewegungen der Akteure aus einem vorher festgelegten, einerseits absurd-schrägen, andererseits der Alltagsgestik entnommenen Repertoire. Da wird man den Eindruck nicht los, dass die Schauspieler bei diesen Anforderungen erst einmal ausreichend mit sich selbst zu tun haben. Und man schaut ihnen dabei zu. Das macht die groteske Komik aus. Es ist unterhaltsam. Und vor allem ist es sehr amerikanisch.

Religiöser Bedeutungsüberdruck

Aus Amerika stammt auch die Choreografin Meg Stuart, besonders begehrte Vertreterin ihres Fachs. Sie hat der herbst mit einer Auftragsarbeit betraut und dafür eine Performance-Installation erhalten, die ihren religiösen Bedeutungsüberdruck kaum zu bewältigen vermag. In "All Together Now" folgt man in der stockdunklen List-Halle den erlösenden Lichtquellen, reicht sich die Hände, darf miteinander einen Schokokuchen teilen und eine liegende zarte, junge Frau mit Kleingeld bedecken. Das Bedeutungsgespenst geht um. Und bringt Meg Stuarts Kunst ordentlich aus dem Tritt. So stolpern und zerren die Performer durch die Halle, laden uns permanent ein, an diesen Beziehung stiftenden Erlösungsriten zu partizipieren. Und kommen dennoch auch gut ohne uns aus. Wer erlöst werden will, verweigere sich!


Barbara Rauchenberger






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