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Kronen Zeitung - 26.10.2008
Höhepunkt
Von einem Höhepunkt der Grazer Opernsaison und des zu Ende gehenden "steirischen herbst" ist zu berichten: Georg Friedrich Haas "Melancholia" ist eine ebenso komplexe wie mitreißende Darstellung vom Fremdsein in der Welt und zugleich ein ...

... eindrucksvolles Beispiel für die Lebendigkeit des Genres Oper.

Düsseldorf, 1853: Der norwegische Kunststudent Lars Hertervig wird von seinem Vermieter wegen seiner unbotmäßigen Liebe zu dessen 15-jähriger Nichte hinausgeworfen. Der genial begabte Maler weiß nicht wohin, begibt sich ins Studentenlokal "Malkasten", wo er der Vorstellung aufsitzt, Helene würde ihn zurückbeordern. Wieder in der Wohnung, lässt der Onkel den lästigen Hertervig von der Polizei abführen.

   Aus diesem dünnen Handlungsfaden hat Georg Friedrich Haas seine Oper gestrickt, basierend auf dem ersten Drittel von Jon Fosses großartigem Roman "Melancholie". Der norwegische Starautor schildert die wenigen Vorgänge in VON MARTIN GASSER

   schier endlosen Wiederholungen. Lars innerer Monolog ist von manischen Kreisbewegungen geprägt, deren Sogwirkung den Protagonisten unweigerlich im Wahn versinken lässt.

   Haas hat sich in die wortgewaltig aufgeplusterte Erzählung einer Delogierung hineingebohrt, verleiht der Handlung via Musik immense dramatische Qualität. Er bedient sich zum Aufbau von Spannung und Stimmung elaborierter spektraler und mikrotonaler Techniken. Techniken, die Klangflächen in irisierender Vielfalt schillern lassen. Vom unheimlichen Beginn bis zum desillusionierten Ende hat Haas ein Werk geschaffen, deren genialische Konstruktion hörend schwer nachvollziehbar ist, das Geschehen, den Wahn und die Vereinsamung auf einer sinnlichen Ebene jedoch sehr direkt vermittelt.

   Das Vokalensemble NOVA vollbringt in ebenso hoher Präzision wie das Klangforum Wien (Dirigent: Emilio Pomarico) Wunderdinge. Die exzellente Sängerriege wird von Otto Katzameier (Lars), Melanie Walz (Helene) und Johannes Schmidt (Winckelmann) angeführt. Ruth Weber, Daniel Gloger, Annette Elster und Martyn Hill brillieren in den Nebenrollen. Die Vokallinien lehnen sich trotz ihrer Kunstfertigkeit an eine "natürliche" Deklamation, an die Gesangstradition der Oper an.

   Reduzierte Regie

   Stanislas Nordeys Regie macht diese Modellaufführung komplett: In reduzierter, schwarz-weißer Ausstattung (Emmanuel Clolus und Raoul Fernandez) folgt er dem Duktus der Musik, findet für die Klangflächen des ersten und dritten Bildes eine bedächtige Bewegungschoreografie, welche Distanz und Nähe zwischen den Figuren eindrucksvoll abbildet. Das Intermezzo im "Malkasten" ist entsprechend der insistierenden, aufgeregten Musikmuster lebendiger, an der Grenze zum Skurrilen angesiedelt. So wird "Melancholia" zum aufwühlenden Bericht vom Fremd- und Alleinsein in der Welt, über die Verschlingungen von Wahnsinn und Liebe.

Martin Gasser






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