Die Presse - 10.09.2008
Das Festival ist ein unfassbar kreatives Feld
Im Gespräch. Intendantin Veronica Kaup-Hasler sieht den "steirischen herbst" als ein Geschenk. Stadttheater wäre ihr zu eng.
Die erfreuliche Meldung kam für sie bereits mitten in diesem Sommer:
Veronica Kaup-Haslers Vertrag als Intendantin des "steirischen
herbstes" wird um fünf Jahre bis 2014 verlängert.
"Ich habe Freude an der Konzeption dieses Festivals, das weltweit
einzigartig ist, da es in allen Kunstsparten wie auch in der Theorie zu
neuen Arbeiten und Diskussionen anregt und gleichzeitig stark auf
lokale Vernetzung mit der Stadt und seinen Kunstschaffenden setzt. Und
da ist für mich bei weitem noch nicht alles an Möglichkeiten
ausgeschöpft", sagt die 1968 in Dresden geborene Tochter einer
ostdeutschen Sängerin und eines österreichischen Schauspielers, die ab
1970 in Wien aufwuchs und dort 1993 das Studium der
Theaterwissenschaften abschloss.
Ständigem Wandel unterworfen
Was reizt sie an ihrer Arbeit, die sie am
Burgtheater
in der Dramaturgie begann, die sie nach Salzburg, Basel, zu den Wiener
Festwochen führte, ehe sie 2001 künstlerische Leiterin des Festivals
Theaterformen in Hannover und Braunschweig und schließlich 2006
Intendantin in Graz wurde? "Der Beruf des Dramaturgen ist einem
ständigen Wandel unterworfen. Ob aber im Stadttheater oder in anderen
Kontexten, es geht immer darum, Inhalte denken zu können und
misstrauisch gegenüber allem Platten, Oberflächlichen und
Effekthascherischen zu sein."
Gute Festivaldramaturgie bedeute
vor allem, Künstlern zum richtigen Zeitpunkt Voraussetzungen und
Freiräume für ihre Arbeiten zu schaffen und an Fragestellungen und
Themen zu arbeiten, die sowohl künstlerisch wie gesellschaftspolitisch
von Relevanz seien. "Es ist ein unfassbar kreatives Feld. Ein
Stadttheater wäre mir zu eng. Die Interdisziplinarität und
Internationalität des ,steirischen herbstes' ist für mich daher ein
Geschenk."
Rückkehr in einen Mikrokosmos
Für ihre
Größe habe die steirische Hauptstadt ein reichhaltiges kulturelles
Angebot. Kaup-Hasler: "Man arbeitet im internationalen Rahmen und
erlebt zugleich die Rückkehr in einen Mikrokosmos." Gibt es aber bei
dieser so offenen, spannungsreichen Situation keine Rückschläge? "Es
gibt wie überall Glücksfälle und unglückliche Momente, die man
durchtauchen muss. Und natürlich arbeiten wir in einem Feld, das durch
ein hohes Maß an Research und Risikofreude gekennzeichnet ist. Das
inkludiert auch die Möglichkeit des Scheiterns. Aber das muss möglich
sein, sonst wird nichts Neues entstehen können." Der "steirische
herbst" 2008 (vom 2. bis 26. Oktober) ist dem Thema Unglücksvermeidung
gewidmet. Was versteht die Intendantin darunter? "Dahinter verbirgt
sich die Frage nach den Möglichkeiten des Handelns in unserer Zeit. Wir
erfahren das Negative in allen Bereichen des Lebens, etwa den
Klimawandel, negative Auswirkungen der Globalisierung, et cetera, und
wissen, dass wir handeln müssen. Gleichzeitig aber scheinen die großen
gesellschaftlichen Gegenentwürfe zu fehlen, es gibt in unserer Zeit
eben keine einfachen Lösungen." Das sollte aber nicht zur Passivität
verleiten, warnt die Festival-Leiterin. "Die Frage, die wir im heurigen
Programm stellen ist: Welche Strategien gibt es also, dem Unglück zu
begegnen, zu einem Handeln zu kommen und so ein Stück weit ,Welt zu
retten'"?
Norbert Mayer