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Kleine Zeitung - 21.10.2008
Wie ich auf den Hund kam
Sein Roman "Hundert Tage" wird hymnisch gelobt. Im steirischen herbst hat sein Stück "Biffy&Wutz" Premiere: Lukas Bärfuss im Gespräch.

Für den steirischen herbst haben Sie gemeinsam mit Noël Dernesch das Stück "Biffy & Wutz" geschrieben. In den Hauptrollen: der beißgehemmte Wutz, die freche Biffy. Und Rado, ein Drecksköter, der gern Revoluzzer wäre. Wie kamen Sie auf den Hund? LUKAS BÄRFUSS: Als Kind hatte ich einen richtig schlimmen Hund. Einen charakterlosen. . .

Lump?

BÄRFUSS: Ja, aber er war mein Ein und Alles. Heute ist das Gegenteil der Fall: Ich mag Hunde nicht, weil sie Kinder gefährden und ich meine zwei immer vor ihnen schützen muss. Aber "Biffy & Wutz" ist selbstironisch. Die Frage nach Weltverbesserung in unserer Gesellschaft hat ja immer auch etwas Luxuriöses, denn das Elend ist ja in der Regel weit weg. Und so sind Noël Dernesch und ich auf den Hund gekommen. Hunde leben ja immer in einer Form von Knechtschaft.

Aber auf hohem Niveau, wenn man sich allein die hedonistische Werbung für Hundefutter ansieht. BÄRFUSS: Aber trotzdem sind uns Hunde untertan. In der Schweiz gelten sie immer noch als Sache. Tierquälerei ist dasselbe wie Sachbeschädigung. Und weil ich doch abonniert bin auf die gesellschaftskritischen Stücke, war das Hunde-Stück einmal eine Möglichkeit, die Kritik von einer anderen Seite anzugehen.

Kritik woran? BÄRFUSS: Am Rebellentum. Oder andersrum: Das Stück ist eine Erklärung, warum wir nicht alle Rebellen sind und die Welt akzeptieren, wie wir sie vorfinden.

Ist das auch eine Generations

frage? Sie sind in den 80er-Jahren groß geworden, in einer faden Zeit. Die Revolutionen waren allesamt abgehakt. Hat es sich Ihre Generation da gern bequem gemacht? BÄRFUSS: Das sehe ich ganz anders. Ich bin in den 80ern in der Schweiz sehr politisiert worden. Dafür gab es umweltpolitische Gründe, aber auch die Frage des gesellschaftlichen Zusammenlebens anhand der Armee. In der Schweiz war die Armee die wichtigste Institution des Landes, 1989 erst gab es eine wichtige Armee-Abschaffungs-Initiative. Und dann die Zeitenwende Ende des Kalten Krieges, der Mauerfall. Ich war eher ein Post-Punk.

Es ist noch nicht lange her, dass Frauen überall in der Schweiz wählen dürfen. Wirft das nicht ein seltsames Licht auf die Schweizer? BÄRFUSS: Ja, wir sind erst seit 15 Jahren eine Demokratie, denn 1993 wurde das Frauenstimmrecht auch im letzten Kanton, in Appenzell, durch einen Bundesgerichtsbeschluss verfügt. Skandalös, ich weiß. In der Schweiz braucht alles etwas länger. Aber wenn einmal ein Konsens gefunden ist, dann ist er auch stabil.

Ihr Roman "Hundert Tage" handelt vom Bürgerkrieg in Ruanda. Haben Sie in Afrika recherchiert? BÄRFUSS: Man sollte nicht Afrika sagen: Ich war in Kamerun, im Tschad, im Kongo und in Ruanda. Das man diese Staaten alle subsumiert, ist das ganze Elend des Kontinents. Das ist so eine große Klammer, und wir versuchen da alles reinzudrücken, was sich gar nicht reindrücken lässt. Der Ruandese hat mit mir wahrscheinlich mehr gemein als mit einem Kameruner. Aber ich weiß, wie praktisch diese Stereotypen sind: krause Haare, dunkle Haut. Das Visuelle ist zu mächtig. Es wäre manchmal hilfreich, wenn wir alle blind wären.

Für "Hundert Tage" erhalten Sie im November den Anna-Seghers-Preis. Sie müssen sich die 25.000 Euro Preisgeld zwar mit einer Chilenin teilen, aber es bleibt noch viel. Was machen Sie damit? BÄRFUSS: Ich habe Familie. Das wird alles verfuttert.

So viel kann man nicht essen. BÄRFUSS: Oh doch. Ich habe jedenfalls keine Anschaffungen vor. Mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis habe ich mir noch eine Geschirrspülmaschine gekauft. Das habe ich wirklich nie bereut.


Interview: Manuela Swoboda






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