Der Standard - 07.10.2008
Geschüttelt, nicht gerührt
Salamon/De Smedt beim steirischen herbst
Beim steirischen herbst im Schlossbergdom ist noch heute, Montagabend,
Eszter Salamons in Zusammenarbeit mit Christine De Smedt entstandenes
Duett Dance #1/Driftworks zu sehen.
Salamon lebt in Berlin und
gilt zurzeit als die avancierteste ungarische Choreografin. De Smedt,
einst eine der besten Tänzerinnen in Meg Stuarts Company Damaged Goods,
ist Mitglied bei Alain Platels Les Ballets C. de la B. Die beiden
Tänzerinnen liegen anfangs - in weißen Hosen und Shirts im Stil der
amerikanischen Postmodernistin Trisha Brown - auf einem dunkelgrauen
Filzboden und beschränken sich auf ein leichtes Schütteln in der
Vertikale. Aus der konsequenten Fokussierung auf eine minimale Basis
entfaltet sich im Weiteren die tänzerische Struktur des Stücks.
Auf ihrem langen Weg aus dem Liegen in die Vertikale lassen Salamon und
De Smedt an das Ende von alibi und den Beginn von Visitors Only , zwei
Meisterwerken von Meg Stuart, denken, in denen das Verrückte des
Schüttelns und Zitterns die entscheidenden Schlüsselszenen bildet.
Bei Salamon baut der aus der Improvisationstechnik des Body Mind
Centering kommende Bewegungsminimalismus erst eine Distanz zum
konsumistischen Blick auf, bei Stuart hingegen ist er sofort expressiv
und offensiv. Doch das Schütteln in Dance #1/Driftworks enthält
ebenfalls eine Störung, die in der raffinierten Soundkonstruktion von
Terre Thaemlitz gleich zu Beginn akustisch zu identifizieren ist.
Hysterisches Getriebe
Ein manisches Element, das an Martin Arnolds Experimentalfilme Ende der
1980er-Jahre erinnert, hält den Körper in einem hysterischen Getriebe
fest. Dessen Aufwändigkeit überdeckt das Faktum, dass sich das
eigentliche Fortkommen nur in Zeitlupe vollzieht.
Damit gelingt
es diesem großartigen Stück zu einer Metapher auf den inneren
Fast-Stillstand zu werden, in den der Mensch als
Leistungsgesellschaftswesen gedrängt wird.
Helmut Ploebst