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Kleine Zeitung - 11.06.2008
Ergreifende Flucht aus der Realität
Ungetrübten Beifall erntete im Pariser Palais Garnier die Uraufführung der Oper "Melancholia" des Grazer Komponisten Georg Friedrich Haas.

Nur ein einziger Koordinationsfehler unterlief dem Dirigenten Emilio Pomarico: Als er beim Schlussapplaus nach rechts eilte, um den Komponisten auf die Bühne zu bitten, trat Georg Friedrich Haas unter amüsiertem Gegluckse der Premierengäste von links auf. Sieben Minuten währte im Palais Garnier, in dem sich auch der französische Avantgardepapst Pierre Boulez eingefunden hatte, der einhellige Beifall für die geglückte Uraufführung der als Auftragswerk der Pariser Oper entstandenen "Melancholia" von Haas.

Künstlerschicksal.
In seiner vierten Oper setzt sich der 55-jährige Grazer Komponist zum dritten Mal mit dem Schicksal eines in den Wahnsinn abdriftenden Künstlers auseinander. Diesmal gilt sein Interesse dem norwegischen Landschaftsmaler Lars Hertervig (1830 bis 1902), dem der Erfolgsdramatiker Jon Fosse in seiner "Melancholie" ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Wie in seinem Roman schildert Fosse auch in seinem ebenfalls von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übertragenen Libretto nicht den Lebensweg seines Landsmannes, sondern fasst dessen Schicksal in einigen aus der Ich-Perspektive erzählten Szenen zusammen. Entsprechend karg fällt auch die Handlung der Oper aus: Der Kunststudent Lars muss sein Untermietzimmer räumen, weil er sich in die 15-jährige Tochter des Hauses verliebt hat.

Bühnenbild.
Im spartanischen Bühnenbild von Emmanuel Clolus, dessen kahle Wände kein Entkommen erlauben und in dem nur eine weiße Leinwand als Metapher für das Malen und zunächst auch als Segel der Hoffnung dient, hat Stanislas Nordey dieses minimale Geschehen mit eindringlicher Schlichtheit ohne jeglichen Aktionismus in Szene gesetzt.

Tragischer Held.
Worum es Haas geht, verdeutlicht seine Musik: Er schildert den emotionalen Zustand seines tragischen Helden. Seine Partitur versetzt Lars in eine Hochschaubahn der Gefühle, stürzt ihn in einen Strudel aus Liebe und Hoffnung, Stolz, Angst und Verzweiflung, beschreibt seine Gratwanderung zwischen Wirklichkeit, Wunschtraum und Wahnsinn.

Emotionaler Sog.
Dazu webt das von Emilio Pomarico souverän geleitete Klangforum Wien, dessen Streicher mit dem Wechsel zwischen normalen und umgestimmten Instrumenten die Harmonik erweitern, feinmaschige Klangnetze, in denen Obertonakkorden besondere Bedeutung zukommt. Mit ihren mikrotonalen Schwebungen, ihrem subtilen Farbspektrum und ihren raffinierten Klangmischungen erzeugt diese dem französischen Spektralismus nahe Partitur einen emotionalen Sog, der sich zum musikalischen Psychothriller verdichtet.

Hohes Niveau.
Ausdrucksstark und wortdeutlich trägt Otto Katzameier als Lars den Abend. Mit Johannes Schmidt steht ihm als Herr Winckelmann ein starker Kontrahent gegenüber. Melanie Walz als angebetete Helene, Annette Elster als dralle Kellnerin, der Countertenor Daniel Gloger als falscher Freund und das Vokalensemble Nova halten das hohe Niveau.


Ernst Naredi-Rainer






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