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Kleine Zeitung - 03.10.2008
Sogar für Erwin Wurm gibt es Ersatz
Der steirische herbst hat begonnen. Seine Ausstellungen öffnen heute und morgen (im Rahmen der Langen Nacht der Museen) ihre Pforten. Im Festivalzentrum ist Noahs Arche verankert.

Frau Kaup-Hasler hat es gut. Wenn der Intendantin des steirischen herbsts ein Programmpunkt ausfällt - beispielsweise am 14. Oktober Erwin Wurm als Referent, weil er wegen einer Ausstellungsverschiebung nach Tokio muss -, geht sie ins Festivalzentrum Joanneum. Gleich rechts im Foyer befindet sich das "Ersatzherbstlager". Und dort, das mag Herr Wurm vielleicht nicht gerne hören, gibt es Ersatz für ihn. Wie es Ersatz gibt für Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen und ganze Opern. Georg Friedrich Haas' "Melancholia" wäre dann nur zwanzig Minuten lang.

"Ersatzherbstlager" (EHL) ist "Eine bürokratische Inszenierung" des Grazer Kollektivs endlich Katzenersatz-Wurstenden 14,90, kurz: ekw 14,90. Und eine in ihren Details höchst originelle Strategie zur Unglücksvermeidung wie sie der herbst heuer auf sein Banner geschrieben hat. Wobei sich natürlich niemand wünscht, dass ein tatsächliches Unglück das Eingreifen dieser Cobra-Truppe der Schrägkultur nötig macht. Und Erwin Wurm wird hoffentlich nicht feststellen müssen, dass in Tokio alles nach ursprünglichem Plan verläuft.

Eine hübsche Inszenierung bietet Noah Fisher im ersten Stock. "Pop Ark" nennt der New Yorker, inspiriert von den Erfahrungen seines Vornamensgebers und You-Tube-Beiträgen zum Thema Klimawandel, eine raumfüllende 30-Minuten-Collage. In ihr führen aus Holz gesägte, von Motoren bewegte Tiere zu Popsongs und sanft experimentellen Gitarrensounds ein Schattentheater auf, dass mit skurriler Poesie trotz durchaus ernster Thematik glücklich macht. Und aus dem Glücksgefühl heraus Denkanstöße erzeugt.

Um Denkanstöße geht es fraglos auch in der von Reinhard Braun kuratierten Schau "Common Affairs". Mit Beiträgen von acht Künstlerinnen und Künstlern aus der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden, Island und Südafrika wird ein "Feld von Handlungsmöglichkeiten" aufgespannt, in dem das Verhältnis von subjektivem Handeln und politischen Rahmenbedingungen untersucht werden soll.

Interessante Beiträge finden sich da allemal. Ursula Biemanns "Contained Mobility" macht am Schicksal eines weißrussischen Migranten die perverse Schattenseite der Mobilität anschaulich. Menschen als ohnmächtige Teile in einem umfassenden Ver- und Abschiebesystem.

Mustafa Maluka aus Kapstadt steuert großformatige Porträts bei. Titel wie "Pass auf, wo du stehst", "Ich kann nicht glauben, dass du das von mir denkst" oder "Ich fühle mich so leer" versehen die raffiniert gemalten Bildnisse mit einem scheinbar simplen Trick in Projektionsflächen für individuelle Schicksale.

Die Arbeiten von Josephine Meckseper rücken den ganzen Körper ins Zentrum, reißen viele Fragen an, bleiben aber so vage wie die Schau als Ganzes.

Fazit: Im erwähnten Feld von Handlungsmöglichkeiten hängt fast alles mit allem zusammen. Das mag komplexen Wirklichkeiten nahekommen, aber als beiläufig wirkendes Nebeneinander nicht dem Betrachter.

Beim nächsten Besuch werde ich schauen, ob ich im EHL befriedigendere Strategien finde und glücklicher werde.


Walter Titz






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