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Wiener Zeitung - 25.10.2008
Bärfuss auf Hundebeinen
Drei Uraufführungen zum Thema "Welt retten" beim "steirischen herbst" Bärfuss auf Hundebeinen

  "Partitur" nennt Ivana Sajko, eine kroatische Autorin der mittleren Generation, ihren Theatertext "Rose is a rose is a rose is a rose". Ein bisserl viel Blütenmeer?

   Wenn Autoren eingeladen sind, Einakter zum Thema "Welt retten" zu schreiben, muss man schon mit einem ordentlichen Schwall an Gedanken rechnen, Humus und Bewässerung zugleich fürs Feld, wo man sich aufs erste Hören, Sehen und Lesen am Donnerstagabend nicht ganz klar wurde, ob man es mit Obst oder Gemüse, mit Kraut und Rüben oder gar schon - nach der Ernte - mit Denk-Marmelade zu tun hat.

   Zweisprachige Teams

   Aber der Reihe nach: Drei Autoren hatten vom "steirischen herbst" Stückaufträge bekommen. Zusammengespannt wurden sie mit jeweils anderssprachigen Theatermachern: Ivana Sajko (Kroatien) hatte mit der belgisch-niederländischen Gruppe "Wunderbaum" zu tun. Des Grazers Johannes Schrettles Einakter "kollege von niemand" wurde ins Spanische übersetzt und vom Argentinier Mariano Pensotti umgesetzt. Und Lukas Bärfuss' "Biffy und Wutz": Schweizer Original-Dramaturgendenken, übersetzt in österreichisches Idiom, was auch wieder einen herzigen Ländersprung ergeben hat.

   Begonnen hat der lange Abend im "Dom im Berg". Noël Dernesch, ein Filmemacher, hat Bärfuss' "Biffy und Wutz" in Film und Konversation umgesetzt: Ein Haushund entflammt in Liebe zu einer Hündin, die noch etwas von der animalischen Natur in sich spürt. Keine Frage, das wird ein Drama. Zwei Schauspieler verleihen den Projektionen aus Hundeperspektive Hecheln und Stimme. Haut wohl nicht so recht hin, das Welt-Retten, wenn zugleich die Liebe mitspielt.

   Bärfuss ist ein Autor, der bühnenwirksam denkt. In dem Fall vielleicht etwas schlicht und geradlinig. Boulevard-Avantgarde, leider darstellerisch auf Amateur-Substandard-Niveau.

   Schrettle wagt einen Zeitsprung: "kollege von niemand" ist eine Paraphrase über Godards "Le Chinoise", einen Kultfilm der 68er. Eine heutige Kommune spielt Szenen nach und denkt nach darüber, wie Revoluzzertum heute ausschauen könnte. "Es ist immer besser, wenn die Bilder nicht wissen, in welchem Rahmen sie gerade hängen", heißt es am Ende. Anders gesagt: Die Revolution frisst nicht nur ihre Kinder, sondern auch ihre Gedanken, die sich dann ein wenig schräg ausnehmen, wenn man sie aus der Zeit rückt.

   Rätselhafte Brühe

   Schrettles Stück wurde ebenso wie die "Rosen"-Parabel Sajkos im Joanneum gezeigt. Die Kroatin hat eine rätselhafte Brühe angerührt zwischen Liebesgeschichte, Banlieu-Unruhen, Zitatwerk (Apokalypse) und Bildbeschreibung (Rembrandts "Nachtwache"). Vier Niederländer haben den ins Deutsche übersetzten Text eingelernt und nuancenreich ge sprochen - eine Ehrfurcht gebietende Leistung.

   Über (Sprach-)Bilder und den passenden Rahmen (eine Arena-Bühnensituation ohne Requisiten) musste man auch da nachdenken: Ist Sajkos Text theatertauglich, oder ist er nicht viel eher Lesestoff?

   Auratische Wirkung

   Aber es schadet nicht, wenn Poesie ins Spiel kommt, und "Wunderbaum" hat zumindest eine hoch auratische Aufführung zustande gebracht.

   Dem Welt-Retten sind wir an dem Abend - für den der Beifall etwas unterkühlt ausfiel - nicht wirklich näher gekommen.


Rainhard Kriechbaum






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