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Der Standard - 25.10.2008
Was uns die Rosenerzählen
Dreimal nichts: "Welt retten" in Graz

Wenn Bankhäuser der Reihe nach krachen, die ersten insularischen Nationalökonomien bereits im Atlantik versinken kann und will ein Festival wie der steirische herbst nicht gut im Abseits stehen. Rettung tut not. Revolutionäre Selbstbesinnung scheint geradezu ein Erfordernis des Börsentages.

Unter dem Titel Welt retten hat das Festival vier Dramatiker dazu eingeladen, den Stand der Aufmüpfigkeitsdinge ganz nonchalant zu überprüfen. Von den beauftragten Skizzenschreibern wurden nunmehr drei mit Uraufführungswürden im Grazer Dom im Berg und im Joanneum bedacht: Lukas Bärfuss, der den Schweizer Filmer Noel Dernesch hinzugezogen hat, erzählt in Biffy & Wutz aus der Perspektive zweier Wohlstandshunde über das Erlahmen revolutionärer Antriebskräfte.

Johannes Schrettle wickelt in kollege von niemand einen seiner immens beliebten Sprachspannteppiche aus. Bei Schrettle bitten bekanntlich immer irgendwelche anonyme Flüstertüten um die Zuerkennung von "Erwerbsbiografien" - wodurch in Sachen Schärfung des kritischen Bewusstseins leider rein gar nichts weitergeht.

Die Kroatin Ivana Sajko wiederum nennt ihr Opusculum aus unerfindlichen Gründen Rose is a rose is a rose is a rose. Der Titel überbietet den bekannten Slogan der großen Gertrude Stein zwar gleich um ein ganzes Glied in der Gleichungskette, wirft deshalb aber auch noch kein erhellendes Licht auf den Text, in dem zähe Amour-fou-Lyrik auf angestrengtem Tumultpalaver - inspiriert durch die Pariser Krawalle 2005 - völlig folgenlos geparkt wird.

Aufgeführt werden diese Beiträge zur wissenssoziologischen Erschließung der Gegenwart streng getrennt. Das verhilft dem Zuschauer nicht nur zur kostenlosen Ergehung der schönen Grazer Altstadt, sondern erhellt auch, warum die gefühlte hunderttausendste Ausgabe des "postdramatischen" Theaters sich hinter lauter ästhetischen Unverbindlichkeiten ängstlich versteckt hält.

Das Hundedrama (Regie: Dernesch) zehrt von der Nonchalance echter Vierbeiner, die, als Video-Helden eingespielt, ihre Stimmleihgeber glatt an die Klappwand spielen. Schrettles Materialsammlung ist einer sehr erheiternden Gruppe von spanischsprechenden Argentiniern in die Hände gefallen, die in einer Art Buffet-Wohnung die Hand- und Denkbewegungen von Godards La Chinoise fernsehsynchron nachstellen.

Zwei Pärchen der Gruppe Wunderbaum radebrechen sich zum Kehraus auf einem leicht erhöhten Tanzparkettgeviert durch Frau Sajkos Traumlyrik. Graz ist übrigens ganz geblieben. Kein Aufruhr wurde gemeldet, kein Revolutionssturm im Wasserglas beobachtet, keine Anomalie registriert, gar nichts. Welt gerettet? Theater tot!

Dafür freut man sich im Hauptquartier über vorläufig 44.500 Besucher des herbstes, die noch vor Absolvierung des Schlusswochenendes eine Auslastung von 95 Prozent bescheren. Laut Programm-slogan also "Unglück vermieden"? Das ja. Doch wen kümmert es?
Ronald Pohl






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