Kleine Zeitung - 22.10.2008
In Musik übertragene Malerei
Der steirische herbst und die Grazer Oper präsentieren die österreichische Erstaufführung der "Melancholia" des Komponisten Georg Friedrich Haas.
Die gemeinsame finanzielle Kraftanstrengung der Grazer Oper und des
steirischen herbstes waren notwendig, um das Avantgardefestival heuer
zum Abschluss mit der Österreichpremiere der "Melancholia" von Georg
Friedrich Haas krönen zu können. Zu erleben ist an nur zwei Abenden
jene Uraufführungsproduktion, die im Juni in Paris großen Anklang fand.
Angeregt von Hans Landesmann,
damals Musikdirektor der Wiener Festwochen, suchte der 1953 in Graz
geborene Komponist Georg Friedrich Haas für seine vierte Oper die
Zusammenarbeit mit dem um sechs Jahre jüngeren norwegischen
Erfolgsdramatiker Jon Fosse. Der Autor selbst destillierte aus seinem
1995 in norwegischer Sprache und 2001 auf Deutsch erschienenen Roman
"Melancholie" das Libretto.
Im Mittelpunkt des Romans und der
Oper steht der norwegische Landschaftsmaler Lars Hertervig, bei dessen
Bildern Haas "wie vom Blitz getroffen" war: "Lars Hertervig steht für
mich in einem Verhältnis zu Caspar David Friedrich wie Schubert zu
Beethoven", sucht der Komponist einen Vergleich.
Wie beim 56
Jahre älteren Friedrich ist die Landschaft ein zentrales Thema, das er
mit eigenwilliger Meisterschaft behandelte. Erkannt wurden die
Qualitäten des Sohnes aus einer Quäker-Familie, der in Düsseldorf Kunst
studieren konnte, früh, berühmt wurde er erst posthum. Sein Lehrer an
der deutschen Akademie war der nur fünf Jahre ältere Landsmann Hans
Fredrik Gude, ebenfalls ein Spezialist für Landschaftsmalerei.
Schizophrenie
Hertervig kehrte nach nur zwei Jahren in seine Heimat zurück, deren
landschaftlichen Reize er oft fantastisch überhöht festhielt, auf
Zeichnungen ebenso wie auf Gemälden. 1856 wurde beim Künstler jene
Krankheit diagnostiziert, die Fosses Buch und Haas' Oper den Namen
gibt: "Melancholia", sprich: Schizophrenie. Nach zwei Jahren in einer
psychiatrischen Anstalt wurde er als "unheilbar" entlassen.
Um
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, verdingte sich Hertervig bei einem
Malermeister. Ab 1867 fristete er sein Leben in Armut, schuf in 35
Jahren aber weiterhin außerordentliche Bilder - auf Zeitungs- und
Packpapier, auf Karton und Tapeten.
Außerhalb Norwegens sind
Werke von Hertervig praktisch nicht in Sammlungen vertreten. Den
größten Bestand, mehr als 70 Arbeiten, hat das Rogaland Kunstmuseum in
Stavanger zu bieten. Wichtige Bilder sind auch in der Osloer
Nationalgalerie und im Kunstmuseum Bergen zu bewundern.
Ernst Naredi-Rainer, Walter Titz