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Kleine Zeitung - 26.10.2008
Die suggestive Sogwirkung der Obertonakkorde
Mit seiner Oper "Melancholia" bescherte Georg Friedrich Haas dem "steirischen herbst" einen lebhaft akklamierten, herben Schlussakkord.

Obwohl sich Otto Katzameier als erkältet entschuldigen ließ, bot er auch in Graz in der "Melancholia" von Georg Friedrich Haas eine fesselnde Leistung, die nahe an seine grandiose Rollengestaltung bei der Pariser Uraufführung im Juni herankam. Als Lars Hertervig steht der Bariton anderthalb Stunden lang ständig auf der Bühne, verfolgt von Wahnvorstellungen und feindseligen Mitmenschen.

   Wie schon in zwei früheren Musikdramen setzt sich der 55-jährige Grazer Komponist auch in seiner vierten Oper mit der Gratwanderung eines Künstlers zwischen Genie und Wahnsinn auseinander. Diesmal ist es der norwegische Landschaftsmaler Lars Hertervig, dem sein Landsmann Jon Fosse mit dem Roman "Melancholie" ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Der Erfolgsdramatiker destillierte daraus selbst das von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übertragene Libretto zur Oper. Es zeigt das Scheitern des psychisch labilen Anti-Helden, der immer stärker in Isolation gerät und in seine eigene Vorstellungswelt flüchtet.

   Sein Außenseitertum, seine Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung, sein Leiden und seine Ängste vermittelt Katzameier mit größter Ausdruckskraft und Präzision im Meistern der hohen Hürden seines extrem anspruchsvollen Parts.

   Neben ihm gewinnen wiederum Melanie Walz als von Lars angebetete Helene, Johannes Schmidt als deren strenger Onkel und Daniel Gloger als zynischer Pseudofreund markantes Profil.

   Innere Tragödie

   Lars Hertervigs innere Tragödie hat Stanislas Nordey im kargen Bühnenbild von Emmanuel Clolus, in dem ein großes weißes Tuch als Chiffre für die Malerleinwand, ein Bettlaken und das Segel der Hoffnung fungiert, in strengen Schwarz-Weiß-Tönen mit gemessenen Bewegungen wie ein Traumgeschehen in Szene gesetzt. Der Abgang von Lars in eine andere Welt wirkte allerdings in Paris, wo sich die Rückwand des finsteren Spielkastens geöffnet hatte, stärker als bei der an zwei Abenden in der Grazer Oper gezeigten Variante.

   Zu Recht besonders stürmisch gefeiert wurde beim "herbst"-Finale das von Emilio Pomarico umsichtig geleitete Klangforum Wien, das ab Herbst 2009 als Ensemble in residence eine Professur an der Grazer Musikuniversität erhalten wird. Es realisierte die Partitur von Haas, in der Obertonakkorde und Mikrotöne eine enorme emotionale Sogkraft entfalten, mit technischer Souveränität, hoher Sensibilität und schillernder Klangfülle. Es entwickelte gleißende Leuchtkraft und vermittelte Ängste und Hoffnungen, Bedrohlichkeit und Verzweiflung mit praller Intensität.


ERNST NAREDI-RAINER






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