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Falter - 10.10.2008
Musik jenseits der Eitelkeiten
Der Komponist und Trompeter Franz Hautzinger berichtet für das musikprotokoll vom Fernen Osten.

Franz Hautzinger ist einer von denen, die immer wieder neu angesetzt haben. Nicht nur, um sich stilistisch regelmäßig zu häuten und zu erneuern, sondern auch weil er dazu ganz konkret und physisch gezwungen war. Während seines Trompetenstudiums an der damaligen Musikhochschule in Graz Anfang der Achtziger befiel ihn eine Lippenlähmung, Hautzinger musste zunächst auf Komposition umsatteln, wollte aber von der Trompete nicht lassen. Woche für Woche hat er sie an den Mund gesetzt, um zu erproben, ob sie ihm wieder gehorchte, erst nach sechs Jahre gelang es ihm, dem Instrument wieder einen Ton zu entlocken. Und weil er nun schon einmal ganz von vorne lernen musste, tat er das gleich auf besonders gründliche Art und Weise, erforschte das Instrument radikal neu, blies künftig nicht nur rein, sondern saugte Luft auch aus der Trompete, spülte Wasser durch die Windungen, erzeugte im Trichter ein derart weites Spektrum von Zisch-, Fauch-, Ächz- und Gurgellauten, dass man meinen könnte, die Avantgarde wäre gar nie in die Krise gekommen.

Diese Woche ist Franz Hautzinger gleich mit zwei Projekten beim musikprotokoll im steirischen herbst zu Gast, das in seinem 41. Jahr auch darum bemüht ist, nach dem Jubeljahr 2007 eine neue Balance zwischen lokal und international zu finden. "Die internationale Lage nimmt zu", schreibt Intendant Christian Scheib im Programmheft. Franz Hautzinger steuert diesem Spannungsverhältnis einerseits "Oriental Space" bei, sein Quartett von Musikern aus Österreich und dem Libanon, und andererseits sein im Vorjahr in Krems erstmals präsentiertes Trompetenorchesterprojekt "Gomberg II", dessen erster Teil schon im Jahr 2000 beim musikprotokoll zu hören war.

Das Solo-Trompetenalbum "Gomberg" nahm Hautzinger im Jahr 2000 nach allerlei Ausflügen in andere Sphären auf - zum Beispiel mit dem mittlerweile in zwölf Schattierungen wiederauferstandenen Regenorchester - und spielte sich damit in die Elite der Improvisationskunst. Sein Spiel zeichnet sich durch einen raffinierten Minimalismus aus - dem genauen Zuhörer erschließen sich in mikroskopische Einzelteile zerlegte Klänge. Nach "Gomberg" folgte dann ein Album mit dem englischen Gitarristen Derek Bailey, das reihenweise internationale Auftritte nach sich zog: Wien, Berlin, London, New York, Chicago, Tokio - Hautzinger hat schon überall gespielt. Im Gespräch sagt er aber: "Ich habe ein Ost-Herz." Diese Affinität sei ihm, dem 1963 im burgenländischen Seewinkel Geborenen, quasi angeboren. Die Frage "New York oder Budapest" hätte er schon in den Achtzigern klar und eindeutig beantworten können: eben mit Budapest.

In Graz spielt Hautzinger in einer ferner östlich wurzelnden Formation - mit dem libanesisch-österreichischen Quartett "Oriental Space". Gemeinsam mit Helge Hinteregger (Sampler), Sharif Sehnaoui (E-Gitarre) und Mazen Kerbaj (Trompete) präsentiert Hautzinger hier sozusagen seine musikalische Sicht des Orients - jenseits eines speziellen Musikstils.

Gegründet wurde "Oriental Space" im Jahr 2003, auf Mazen Kerbaj traf er ganz zufällig auf einer Konzertreise in den Libanon. Man verstand sich auf Anhieb, menschlich wie musikalisch. Wenn man als Musiker den Wunsch nach tatsächlichem gegenseitigen Verstehen unterschiedlicher Kulturen habe, sagt Hautzinger, dann müsse man "drüberarbeiten, auch über die Eitelkeiten". Dafür könne dann im Idealfall mehr als ein schlichtes Crossover entstehen, sondern "etwas ganz Demokratisches".

Demokratisch soll auch der Austausch zwischen Künstlern sein, der heuer unter dem Kürzel ECAS beim musikprotokoll seinen Anfang nimmt. ECAS steht für "European Cities of Advanced Sound" und ist Ergebnis einer Kooperation mit dem norwegischen Numusic Festival Stavanger. Gedacht ist die Plattform zum Austausch zwischen Kuratoren von Festivals für Neue Musik, um gemeinsam die Möglichkeiten für Veranstalter und Künstler zu erweitern. Dabei geht es auch um einen "Blick von außen" auf Europa, deshalb ist der musikprotokoll-Schwerpunkt mit "... as seen from the middle of east ..." überschrieben. Gerade auch um herkömmlichen Strategien europäischer Kuratoren entgegenzuwirken, die sich oft genug als neutrale Vermittler zwischen Kulturen inszenieren, in deren Konflikte Europa eigentlich selbst verwickelt ist.

Franz Hautzinger sieht sich in diesem Zusammenhang als Berichterstatter. Als jemand, der seit mehr als sieben Jahren "von dort das Hier sieht". Wirkliche Botschaften, meint er, bringen seine jungen Kollegen aus dem Libanon: "Das ist Musik, die nach vorn schaut." Sie haben in Beirut eine experimentelle Szene aufgebaut, befördert durch die zunehmende internationale Vernetzung: "Seit es das Internet gibt", lacht Franz Hautzinger, "kann man auch nicht mehr so viel lügen".


Clara Pfaller & Thomas Wolkinger






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