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Kleine Zeitung - 03.10.2008
Röntgenstation für Weltenretter
Der steirische herbst arbeitet an "Strategien zur Unglücksvermeidung". Das gestern eröffnete Festival soll nicht nur zum Denken, sondern auch zum Handeln anregen.

Könnte schon sein, dass Sie demnächst durch Graz tänzeln und singen: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so fröhlich bin . . . ?". Dazu braucht's aber keinen Kleist und schon gar keinen Simmel, sondern nur den steirischen herbst.

Das Festival hat sich heuer nämlich "Strategien zur Unglücksvermeidung" zurechtgelegt, die auf einer Liste mit seltsamen Querverbindungen von Abdunkeln bis Zusammenrücken reichen. "Listen sind der erste Schritt zur Tat, eine Möglichkeit, Ordnung ins Chaos zu bringen", sagt Intendantin Veronica Kaup-Hasler und meint damit Orientierungslosigkeiten, die aus dem (scheinbaren) Scheitern von Visionen und Utopien entstehen.

Paradoxien

Freilich bietet der herbst mit seinem sozialpolitischen Fokus keine simplen Anleitungen zum Glücklichsein, sondern Handlungsoptionen. Die Projekte sind wie die angeführten Listen: "Zufällig, veränderbar, paradox und widersprüchlich, aber nicht beliebig", betont Kaup-Hasler.

Ein solch multipler Ort zur Durchleuchtung des Festivalmottos, eine Art Röntgenstation für Glück und Unglück, soll das heurige Festivalzentrum sein: Das Joanneum-Gebäude in der Neutorgasse, wegen Neuaufstellung der Schausammlung derzeit geschlossen, wird vom raumlaborberlin "katastrophal" genutzt. Ausgehend von Explosionen wie in Michelangelo Antonionis Filmklassiker "Zabriskie Point", will die Truppe die barocken Museumsräume von Farbe und Form befreien. Neben der monochromen Welt mit herbstbar, Club und Spielstätte kann man auch in einem Sanatorium übernachten - Quarantäne im Mitmachtheater quasi, "tut aber nicht weh", verspricht die Intendantin.

Der gestrige Auftakt des "herbst", heuer mit rund vier Millionen Euro inklusive einer Sonderdotierung des Landes von 450.000 Euro ausgestattet, erfolgte mit einer begehbaren Installation: Beim Eintauchen ins "Volksbad Waagner-Biro-Straße" von Steinbrener/Dempf wurde man zum Handeln aufgefordert. "Welt retten" heißt es auch bei Ausstellungen wie der Pop-Arche des New Yorkers Noah Fischer, detto im Theater, etwa wenn Michel Schweizer ab heute mit einem Schäferhundeballett Philosophie-Diskurse so beunruhigend wie ironisch bricht.

Versuchslabors gegen das Unglück sollen auch im Tanz, mit neuen, in Szene gesetzten Texten (u. a. von Johannes Schrettle) oder verstörendem Puppentheater eingerichtet werden. Neben gewohnt Avanciertem im "musikprotokoll" steht natürlich die Oper "Melancholia" von Georg Friedrich Haas, unlängst in Paris mit Riesenerfolg uraufgeführt, im Zentrum der Hörereignisse.


Michael Tschida






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