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Salzburger Nachrichten - 03.10.2008
Nein sagen macht glücklich
Der "steirischer herbst" präsentiert Elke Krystufek bei Camera Austria im Grazer Kunsthaus: Die 38-jährige Künstlerin unternimmt eine sehr subjektive Glückssuche.

Warum Malerei Unglück vermeidet? Malerei sei ein gutes Ventil, auch sehr kontrollierte Malerei, mit Klebestreifen abgespickte Farbfelder in möglichst homogener Oberfläche, bündele Energie, sagt die Polyartistin Elke Krystufek. Eigentlich dürfte dieser Satz hier nicht zu lesen sein, denn er stammt aus dem eben erschienenen Buch "Nein" der 38-jährigen Künstlerin und in diesem gilt die Devise: "Zitieren verboten. Machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken." Den Titel hat sie mit blutroter Farbe geschrieben, das "N" rinnt aus. Eine Horrorgeschichte? Nein, eine tolldreiste, ausuferende Introspektion in Wort und Bild. Vielleicht auch eine Art Glücksuche.

Kleinformatige Fotos im großen Raumlabyrinth Was für ein Glück! Da lädt die Camera Austria Elke Krystufek für eine Einzelausstellung im "steirischen herbst" ein und kurz zuvor wird die Künstlerin für die kommende Biennale in Venedig nominiert. In Graz zeigt die Wienerin vor allem Fotos, kleinformatige Dokumentationen der Umwelt sowie Selbstinszenierungen. "Für das Glück zuständig", lautet der Titel der Schau, die das Publikum in ein für diesen Kunstort ungewöhnliches Stellwand-Labyrinth entführt. Krystufek betreibt Resterlverwertung, montiert ihre Fotos auf gebrauchte, aus ihren Kontexten gerissene Ausstellungsarchitekturen. Da werden aus Teilen alter Beschriftungen dann neue Bildtitel, was im Fall verhunzter Künstlernamen wie etwa "Seichi Fujura" oder diverser Fantasieworte zum Schmunzeln anregt.

Hinter dieser und anderen Verweigerungshaltungen steht bei Elke Krystufek das Infragestellen von Konventionen und Wahrheiten, von Ordnungen, Regeln und Verhältnissen im Alltag wie im Kunstbetrieb. Mit dem sie seit gehörigen Zeit auf Kriegsfuß steht, wobei sie ihren Konflikt mit dem Wiener Galeristen Georg Kargl öffentlich thematisiert. 26 ihrer Arbeiten seien von Kargl zu spät, sieben gar nicht, acht beschädigt und sechs unrestaurierbar beschädigt nach Graz geliefert worden, steht auf einer Ausstellungswand zu lesen.

Gänzlich schwarze Fotos illustrieren diesen Rechtsstreit, den die Künstlerin bereits mit Anwälten führt. "Es geht für mich um die Fragen: Wie stark bin ich als Künstlerin? Wie kann ich jüngeren Kolleginnen Mut machen, sich nicht alles gefallen zu lassen?", erklärt Elke Krystufek im SN-Gespräch. Auch das Zurücklegen ihrer Professur versteht sie als symbolischen, feministisch-beispielgebenden Akt: "Ich wende mich gegen das Klischee, dass Frauen als Künstlerinnen ohne ,Nebenberuf nicht überleben können."

Grell, sinnlich, mit viel Ironie und ohne Genierer Elke Krystufek agiert grell. Plakativ, sinnlich und ohne Genierer, wiewohl in ihrer exhibitionistischen Radikalität seit geraumer Zeit etwas gemäßigter. Professionell widerspenstig, könnte man auch sagen: Immer gegen den Strom. Und vor allem gegen (männliche) Lügen, Macht, Fadesse oder politische Einflussnahme. Sie lässt sich weder inhaltlich noch formal einordnen, zeichnet, fotografiert, malt, schreibt, macht Videos, lässt in Graz Buchstabenskulpturen, die in 16 unterschiedlichen Sprachen das Wort "Gott" ergeben, montieren.

Ironie ist ihr ständiger Begleiter, vielleicht auch, um Selbstzweifel zu übertünchen, zumal die Grenzen zwischen der Privatperson und der Kunstfigur Elke Krystufek nicht immer klar definiert sind. Ist die höchst subjektive, intime Selbstentblößung nun Strategie oder innerer Drang? Ist Authentizität wichtig? "Nein, nein und nochmals nein" würde die Künstlerin wohl sagen. Und keine Antworten geben.

Bei ihren in der Camera Austria gezeigten Fotos verschwimmen die Grenzen von Graffiti, Klowandpoesie und Kunst. "Das interessiert mich, wenn der Kunstbetrieb durch Straßengraffitis, die plötzlich urteuer sind, verunsichert wird", sagt Krystufek und liefert noch einen Nachsatz: "Sind Museen Glücksorte oder nur intellektuell bereichernd und worin besteht dieser Reichtum?" Gute Frage.


Martin Behr






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