Kurier - 07.10.2008
Auf der Suche nach den anderen
Die bildende Kunst zeigt sich sozial und experimentiert in den Feldern Liebe, Glück und Verständnis.
Lang ist es noch nicht her, dass das Single-Dasein als Lebensform der
Zukunft in Hochglanzmagazinen propagiert wurde. Heute ist davon keine
Rede mehr. Geblieben ist die Erinnerung an ein Konstrukt einer
Parallelwelt, die nicht in der Realität geankert hat.
"Unglücksvermeidung" schwebt als Generalmotto über dem steirischen
herbst. Vielfach heißt das auch Einsamkeitsvermeidung. Die bildende
Kunst will dabei noch mehr: Glück, Liebe und Gemeinschaft. Zentrum der
Liebenden ist der Medienturm. Hier unternehmen sechs Künstler den
Versuch, den Liebesbegriff zu fassen.
Eine, die dabei ins Volle
gegriffen hat, ist Anna Jermolaewa. In einem Video zeigt sie
Mickymaus-Handpuppen beim Liebesgeplänkel. Einfach witzig.
Liebe
Einfach aus dem Leben gegriffen ist ihr zweites Video, das während
einer Singleparty in ihrem Atelier gedreht wurde. "Es haben sich Paare
gefunden. Eines ist seit zwei Jahren glücklich", berichtet die
Künstlerin stolz.
Für das Glück zuständig fühlt sich Elke
Krystufek. Sie zeigt, was jeder kennt, worüber aber so schwer zu
berichten ist. Die untrennbare Verschmelzung diverser
Paralleluniversen. Krystufek zeigt sie fragmentarisch und zeitlich
versetzt in einem Video und einer Ausstellung aus bildlichen und
schriftlichen Anmerkungen. Menschen werden gezeigt, kommen zu Wort und
es wird über sie berichtet.
Trotz vieler Materialien ist die
Schau keine Materialschlacht, sondern ein sehr sensibel
zusammengestelltes Sammelsurium, das sich nicht auf Ohrwurmmethode ins
Gedächtnis schleicht, sondern Aufmerksamkeit erfordert.
Schade, dass alles auf Englisch ist. Das ist gut fürs Geschäft, schafft aber Distanz. Mehrsprachigkeit wäre schön.
Fremd
Das Plakat sieht nach Jungschar-Bastelcamp aus. Die Ausstellung hat
nichts kindlich Laienhaftes. "wie du mir" zeigt, wie Sitten, Religion,
Sprachen und Hautfarben den Stoff für Barrikaden bilden und wie
Menschen damit umgehen. Beeindruckend die Selbstporträts des Albaners
Adrian Paci mit einem Stück Dach am Rücken.
Zurück auf der
Bühne der Kunst ist Christoph Schlingensief mit einer Videoinstallation
aus einem Film, den er in Namibia gedreht hat. Eine Abfolge
wunderbarer, wundersamer Bilder.
Henriette Horny